Eigentlich dafür gedacht, Menschen wieder in Lohn und Brot zu bringen und zwischenzeitlich zu unterstützen, entpuppt sich leider immer öfter eine völlig gegenteilige Auswirkung dessen, was Jobcenter als ihre Aufgabe betrachten. Wie mehrere Fälle von früheren Unternehmern und Niedriglohnbeschäftigten zeigen, halten Jobcenter Kundenbindung für deutlich wichtiger als Kunden dabei zu unterstützen, von Leistungen wieder unabhängig werden zu können. Natürlich sind sich die Angestellten der Jobcenter keiner Schuld bewusst, hält man sich doch strikt an die Vorschriften.
Fall 1 beschreibt den Niedergang eines Unternehmerpaars mit Kind. Beide sind mit gut gehenden Betrieben und mehreren Angestellten selbständig, als die Falle unbarmherzig zuschlägt und eine Kettenreaktion unweigerlich alles zerstört, was in vielen Jahren harter Arbeit aufgebaut worden war. Zuerst trifft es nur den Handwerkbetrieb des Mannes, der wegen hohen Vorleistungen und ausstehenden Kundenrechnungen zahlungsunfähig wird und die Arbeit einstellen muss. Der Betrieb der Frau kann jedoch nicht die angefallenen Verbindlichkeiten des Ehemanns auffangen und auch nicht alle laufenden Kosten decken, also entschliesst sich der Mann, für eine Überbrückungszeit Unterstützung beim Jobcenter zu beantragen.
Dieser Antrag läutet allerdings den Anfang vom Ende der familiären Existenz ein, denn die amtlichen Mühlen mahlen unbarmherzig und ohne Rücksicht auf Verluste. Der Begriff der Bedarfsgemeinschaft fällt und das bedeutet, dass es über einen genau festgelegten Bedarf keine Unterstützung gibt. Das Einkommen der Ehefrau wird angerechnet und einige laufende Kosten können nicht mehr bezahlt werden. So zieht die Frau gezwungenermassen mehr Geld aus ihrem Dienstleistungsbetrieb, kann dort nötige Investitionen nicht mehr tätigen, schliesslich fällige Rechnungen nicht mehr bezahlen, muss am Ende ihren Betrieb schliessen, langjährige Mitarbeiterinnen entlassen und gerät in die Schuldenfalle, weil man aus einem Gewerbemietvertrag nicht einfach so herauskommt und Mieten anfallen, denen kein Einkommen mehr gegenübersteht.
Längst hat die Familie eine Aufforderung erhalten, die Mietkosten zu senken. Inzwischen sind alle Rücklagen aufgebraucht und Wohnungen mit vom Jobcenter akzeptierter Miethöhe kaum zu bekommen. Schliesslich ist das Ehepaar gezwungen, sich zu trennen, denn kleinere Wohnungen als erforderlich sind noch zu bekommen. Das Jobcenter muss nun für beide Wohnungen die Miete bezahlen, und zwar deutlich mehr, als die gemeinsame schöne Wohnung der Familie vorher gekostet hatte. Die Eheleute leben getrennt, Familienleben ist nicht mehr möglich, das Kind leidet darunter. Statt einem Unternehmer, der zeitweise Leistungen erhält, beziehen nun beide dauerhaft Leistungen. Mehrere Angestellte mussten entlassen werden. Die Angestellten des Jobcenters haben natürlich alles richtig gemacht, sich strikt an ihre Vorschriften gehalten.
Einem weiteren Ehepaar ging es sehr ähnlich. Ein Ehepartner hatte ein kleines Dienstleistungsgeschäft, der andere bezog eine Rente. Als es nach Wegfall eines wichtigen langjährigen Kunden finanziell eng wurde, dachten die Eheleute noch nicht daran, sich von irgendwo unterstützen zu lassen. Man würde es schon schaffen, brauchte halt etwas Zeit, den regelmässigen Verlust wieder auszugleichen. Zahlungskräftige oder auch zahlungswillige Kunden sind jedoch nicht mehr so reich gesät, Kosten und Preise zogen immer weiter an. Wichtige Investitionen in Equipment wurden immer wieder aufgeschoben, weil immer wieder unerwartet etwas repariert oder ersetzt werden musste. So brauchten sich zuerst die Rücklagen der Familie auf.
Schliesslich sah auch dieses Ehepaar keinen anderen Weg mehr als Hilfe zu beantragen. Die Eheleute rechneten sich aus, durch die erwartete finanzielle Entlastung die Existenz innerhalb einiger Monate wieder selbst sichern zu können, hatte allerdings auch hier die Rechnung ohne die Vorgaben des Jobcenters gemacht. Auch hier schlug wieder der Begriff Bedarfsgemeinschaft wie eine Bombe ein. Zuerst einmal wurde wieder die Wohnung als zu teuer bemängelt und ein Umzug gefordert. Auch dieses Ehepaar musste dann feststellen, dass die Wohnungssuche sich schwieriger als erwartet gestaltet. Man musste also viel intensiver suchen, denn die Zeit drängte. Unaufhaltsam kam der Termin näher, zu dem man umgezogen sein musste und ab dem man nur noch den Betrag erhalten würde, der für eine „angemessene“ Wohnung vorgesehen war.
Der nötige Gewerberaum und dessen zusätzliche Kosten fand keine Berücksichtigung, aber auf die Ankündigung, das Gewerbe aufzugeben, weil man es ohne Raum nicht mehr ausüben könne, entgegnete das Jobcenter mit der Drohung, in diesem Fall die Leistung zu kürzen. Schliesslich sei man verpflichtet, auch selbst zum Lebensunterhalt beizutragen. Das mit dem erforderlichen Raum sei dann aber wieder Privatvergnügen.
Auch hier die gleichen Auswirkungen. Statt sich um das Geschäft kümmern zu können, musste dringend eine Wohnung gesucht werden und statt nur wenige Monate überbrückend Leistungen zu beziehen, um dann wieder selbst den eigenen Lebensunterhalt bestreiten zu können, ist auch dieses Ehepaar inzwischen Dauerkunde beim Jobcenter geworden. Dringend nötige Investitionen sind nicht mehr möglich und durch die zwangsweise Vernachlässigung des Geschäfts sind weitere Kunden abgesprungen. Von einem selbstbestimmten Leben kann keine Rede mehr sein.
Dann war da noch die Mutter, die mit ihrem Sohn innerhalb 3 Jahren bereits zwei mal in eine jeweils günstigere Wohnung umziehen musste. Der Umzug hat das Jobcenter allerdings jeweils mehr gekostet als durch die günstigere Miete wieder eingespart wurde. Dann wäre da noch der Geringverdiener, der regelmässig und in Vollzeit arbeitet, nur wegen seinem geringen Verdienst noch aufstocken muss und von dem wegen einer um 20 Euro zu hohen Miete der Umzug verlangt wird. Dann ist allerdings auch noch der versoffene Dauerarbeitslose, der schon drei Wohnungen versoffen hat und dem man nun auch noch die vierte Wohnung finanziert. Weil der arme alkoholkranke Mensch nichts hat, bekommt er auch noch alles neu als Erstausstattung finanziert.
Niemand weiss genau, mit welchem Maß man bei den Jobcentern gemessen wird, aber ein gerechtes Maß scheint es nicht zu sein, wenn belohnt wird, wer faul ist und denjenigen, die aus ihrer Situation gern wieder heraus wollen, Steine in den Weg gelegt werden. Kundenbindung mag im Handel gut sein, in der Betreuung von Arbeitslosen sollte es aber um andere Prioritäten gehen, als sich die Arbeitslosen als solche zu erhalten. Die Leute sollen wieder in Arbeit gebracht und nicht zu Dauerkunden gemacht werden.
© 05.2012 Norbert Warnke
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