Nachdem wir uns im ersten Teil „Parteien“ näher mit den relevantesten zur Bundestagswahl antretenden Parteien beschäftigt hatten, geht es heute um die sich ergebenden Möglichkeiten. Gewählt werden zwar in erster Linie einzelne Abgeordnete und Parteien, aber weder kann uns ein einzelner Abgeordneter, noch eine einzelne Partei regieren. Im Bundestag wie in den Landtagen sitzen hunderte Abgeordnete, die mehreren Parteien angehören, von denen keine einzige über genug Gewicht verfügt, allein regieren zu können. Entsprechend müssen die Abgeordneten Fraktionen bilden und sich zu einer Koalition zusammenschliessen, die dann eine Mehrheit erlangt, mit der diese dann als Koalition regieren kann.
Dass eine Koalition aus zwei oder mehr Parteien gebildet wird, erfordert von allen beteiligten Parteien gewisse Abstriche an eigenen Zielen und Unterstützung von Zielen der Koalitionspartner. Das wiederum bedeutet, dass zuvor in den Wahlprogrammen genannte Ziele nur noch zum Teil eingehalten werden können, denn auch der Koalitionspartner hat Ziele, die er erreichen möchte. Für alle Ziele aller Parteien stehen zum einen nicht genug Mittel zur Verfügung und zum Anderen kann ein Ziel eines Partners dem Anspruch des anderen entgegenstehen. Hier muss man Kompromisse machen und zurückstecken oder auf die Koalition verzichten und damit auch aufs Regieren. Hier auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, erfordert meist längere Verhandlungen, an deren Ende ein Koalitionsvertrag steht und dann erst beginnt man mit der gemeinsamen Arbeit.
Die grosse Frage ist also, wer mit wem will oder kann oder mit welchen Partnern kann man diese oder jene Ziele am ehesten erreichen und vor allem, welche Ziele hat man als Wähler? Ab jetzt wird es allerdings schwierig, denn was vor der Wahl als mögliche Ziele versprochen wurde, muss nach der Wahl in der einen oder anderen Konstellation nicht unbedingt mehr möglich sein. Welche Konstellationen könnten also nach der Wahl am wahrscheinlichsten sein?
Neuauflage der GroKo (Grosse Koalition) Union/SPD
Im Moment ist noch nicht absehbar, welche Partei am Ende stärker sein wird, denn die Umfragewerte gehen hin und her. Eine Möglichkeit wäre es aber allemal, wenn es für andere Konstellationen nicht reicht. Nun hatten wir gerade eine solche und beide Koalitionspartner konnten nur einen Teil ihrer Ziele umsetzen, arbeiten allerdings an einem völligen Umbau der Gesellschaft und am Bürger vorbei. Beide haben einiges dafür getan, die Demokratie und die Grundrechte in Deutschland abzubauen und völlig neue Arbeitsweisen sind nicht in Sicht. Zwar wird nicht mehr Angela Merkel Kanzlerin sein, aber an den Schaltstellen der Parteien ändert sich personell wenig. Wer immer Kanzler wird, er ist auf die nächstuntere Ebene angewiesen, ob diese mitspielt. Beide Spitzenkandidaten haben nicht unbedingt eine blütenweisse Weste und eine künftig bürgerfreundlichere Politik scheint eher fraglich. USA-Treue und NATO-Treue sind ebenso festes Programm wie noch mehr „Europäische Integration“, also in Richtung „Vereinigte Staaten von Europa“. Das heisst, europäische Pläne und Institutionen müssen stets „gerettet“ werden, koste es, was es wolle. Konzession an die SPD dürfte eine freiere Zuwanderung sein, als man in der Union eigentlich gern hätte. Weitere Konfrontation mit Russland und China wäre schon geopolitisch vorprogrammiert und der Fokus auf die Klimapolitik bliebe starr wie gehabt. Das Militär bekäme weiter mehr Geld und es gäbe weiter Kampfeinsätze und Rüstungsexporte.
Union/FDP
Diese beiden könnten gut miteinander, sind vor allem aber der Wirtschaft zugetan und die sozialen Ambitionen sind begrenzt. Beide wollen zuallererst die Wirtschaft stärken und stehen auch zur Europäischen Integration, zu den USA und zur NATO. Möglicherweise könnte man hier einen pragmatischeren Umgang mit Russland und China erwarten, denn das wäre auch im Interesse der deutschen Wirtschaft. Allerdings muss sich eine Union ohne Angela Merkel erstmal wieder selbst finden lernen, was nach 16 Jahren und dem geerbten Personalstand allerdings schwierig sein dürfte. Grosse Sozialprogramme wären nicht zu erwarten, sondern weiter Abbau, Verschleiss der Strukturen und Einsparungen an wichtigen Stellen. Man würde womöglich in Klima- und Umwelttechnologie investieren, das Gesundheitssystem aber weiter vernachlässigen. Ob es noch für Bildung und Digitalentwicklung reicht, müsste man abwarten. Auch hier bekäme das Militär mehr Geld, aber ob die Liberalen Kampfeinsätze der Bundeswehr so bequem mittragen wie die SPD, weiss man nicht wirklich.
Rot-Grün-Rot (SPD/Grüne/Linke)
Falls es für Rot-Grün allein nicht reicht, bräuchte man die Linke als Mehrheitsbeschaffer. Diese Parteien reden zwar gern von einem „linken“ Bündnis, aber die Grünen sind nicht wirklich links. Hier dürfte die SPD stärkste Kraft sein und den Kanzler stellen und die Grünen die zweitstärkste Kraft werden, die aber gelernt hat, auch aus einer Minderheit heraus den Ton anzugeben und das auch so umsetzt. Die Linken wären hier lediglich Juniorpartner, Mehrheitsbeschaffer und Steigbügelhalter, dürften ansonsten allerdings weitgehend aussen vor bleiben. So sehr, wie die Linke ihren Anspruch auf Regierungsmitverantwortung bereits ausposaunt hat, wird man sie mit möglichst kleinen Brötchen abspeisen. Manche Ziele der Linken sind auch mit denen von SPD und Grünen unvereinbar. So stehen SPD und Grüne fest zur NATO und zur Bindung an die USA, wie die Linke das ablehnt. Wo die Linke Konfrontation mit Russland und China ablehnt, strikt gegen alle Kampfeinsätze der Bundeswehr und gegen Rüstungsexporte ist, wollen SPD und Grüne genau das festschreiben. Schliesslich wäre da noch die linke Forderung nach mehr direkter Demokratie, die alle anderen Parteien, bis auf die AfD und die FDP vielleicht, strikt und generell ablehnen. Von allen diesen Unterschieden müsste sich die Linke für eine Koalition verabschieden und verliert damit eigentlich die eigene Existenzberechtigung.
Rot-Grün (SPD/Grüne)
diese Konstellation gab es schon einmal und sie hatte uns Hartz4, den Siegeszug der prekären Beschäftigung, Sozialabbau und ideologisch geprägte Politik gebracht. Heute stünde diese Konstellation für eine rücksichtslose Klimapolitik, die alles andere als nachrangig betrachten würde und angesichts zu erwartender Migrationswellen, die sich in Richtung Europa entweder bereits auf dem Weg befinden oder diesen noch einzuschlagen gedenken, könnte man hier weiteren Massenzuzug erwarten, wodurch man zwar vorgibt, den zuziehenden Menschen helfen zu wollen, die man in Wahrheit dann jedoch hier sich selbst überlässt, wo diese dann kulturfremd und entwurzelt stranden. Eine vernünftige Integrationspolitik hat man bisher leider von keiner der Parteien jemals gesehen, aber die wäre bitter nötig. Bei der Konstellation ist mit weiterer Konfrontation gegen Russland und China zu rechnen, aber auch mit weiteren Kriegseinsätzen der Bundeswehr, für die gerade die anfangs noch als Friedenspartei gross gewordenen Grünen mittlerweile eine „Interventionsfähigkeit“ fordern, also die Fähigkeit, andere Länder angreifen zu können. Kriege wären jedoch das Letzte, was die Welt noch bräuchte. Für die Menschen in Deutschland wäre jedoch die schlimmste Folge, dass diese Konstellation quasi im jeden Preis heute noch zu unausgereifte „grüne“ Energien einführen, dafür herkömmliche Stromproduktion zurückfahren und gleichzeitig über die Elektromobilität einen sich stark erhöhenden Energiebedarf provoziert. Beim momentan bereits überlasteten Energienetz wären Blackouts die Folge und die Elektroautos könnten nicht mehr geladen werden. Zu allem Überfluss würde noch alles deutlich teurer werden, denn wo Kraftstoff sich verteuert, verteuert sich auch der Transport und damit die Preise aller Güter, die über die Strasse transportiert werden.
Ampel-Koalition (rot, gelb, grün) SPD, FDP und Grüne
Diese Möglichkeit bot sich schon mehrfach, aber FDP und Grüne sind sehr weit auseinander, was Soziales und Wirtschaft betrifft, also auch einen risikoreichen und zu schnellen Umbau der Wirtschaft. Auch in der Zuwanderungspolitik wäre eine solche Konstellation alles andere als einig. Die SPD trägt sich jedoch schon mit dem Gedanken, weil man mit den Linken weniger glücklich wäre und es ohne einen dritten Partner womöglich nicht reichen könnte.
Schwarz-Grün (Union/Grüne)
Auch hier eine Konstellation, die alles andere als eine Liebesheirat wäre. Zwar arbeiten Union und Grüne in mehreren Länderparlamenten zusammen, jedoch nicht ganz ohne Spannungen. Auf Bundesebene müsste man befürchten, dass die Grünen auch aus einer schwächeren Position zumindest versuchen werden, den Ton anzugeben.
In der Liste der Möglichkeiten fehlt neben den wohl eh klein bleibenden Newcomern dieBasis und Freie Wähler nur die deutlich relevantere AfD, aber von der haben sich eh alle übrigen Parteien distanziert (haben sie früher auch mit den Grünen so gehandhabt). Eine Koalition wäre also kaum irgendwie zu erwarten, also bleibt wohl nur eine weitere Legislaturperiode in der Opposition. Aber wäre das wirklich so schlimm? Wäre eine Opposition tatsächlich nichts wert?
Die Opposition
Die Opposition bilden immer alle Parteien des Parlaments, die nicht in der Regierungskoalition sitzen und da die Regierungskoalition stets die Mehrheit hat, befindet sich eine Opposition immer in der Minderheit. Dennoch hat die Opposition fast schon eine noch wichtigere Aufgabe als die Regierung selbst. Die Opposition ist nämlich die politische Kraft, welche die wichtige Aufgabe hat, die Regierung zu kontrollieren und nach Möglichkeit auch zu bremsen, wenn dies notwendig ist. Aus diesem Grund brauchen wir im Parlament ganz dringend auch eine möglichst starke Opposition.
Wir wählen nicht nur eine Regierung, sondern wir wählen auch die Opposition!
Haben wir also den Eindruck, dass wir bei dem sich bietenden Angebot an Parteien und Kandidaten keine wirklich gute Regierung bekommen können, wäre es keine Lösung, nicht wählen zu gehen. Nein, wir sollten dann erst recht wählen, und zwar so, dass wir einer uns möglicherweise nicht angenehmen künftigen Regierung eine möglichst starke Opposition als kontrollierende Kraft entgegenwählen. Um überhaupt arbeitsfähig zu sein, muss die Opposition über mindestens 25% aller Sitze im Parlament verfügen. Besser wäre hier noch deutlich mehr, denn mit den verbleibenden 75% (Dreiviertel-Mehrheit) kann eine Regierungskoalition sogar das Grundgesetz beliebig ändern. Eine starke Opposition entsteht auch niemals von allein, sondern muss aktiv gewählt werden. Bei der Wahl einer Opposition kommt es auch nicht darauf an, ob wir von jener Partei gern regiert werden würden, denn das kann diese aus der Opposition heraus eh nicht. Wichtig ist hier vor allem, dass die Opposition einen starken und handlungsfähigen Gegenpart zur Regierungskoalition bildet und auch bereit ist, ihre Möglichkeiten zur Kontrolle der Regierungsarbeit zu nutzen.
Leider weiss man ja nie vorher, wer am Ende regieren wird, also wen man in dem Fall als Opposition bräuchte. Viele Wähler dürften vielleicht auch durchaus mit ihrer bevorzugten Partei oder Kandidaten zufrieden sein und bräuchten so gar keine Opposition. Bei der bevorstehenden Wahl kann man jedoch durchaus davon ausgehen, dass sehr viele Menschen im Land mit der aktuellen Politik unzufrieden sein dürften. All jenen, die mit keiner zu erwartender Regierung glücklich sein würden, kann man also nur raten, hier wenigstens für eins Kontrolle zu sorgen, die so wirksam wie möglich sein sollte.
Was wäre eigentlich, wenn es zu keiner Koalition käme?
Können sich die Parteien nicht auf eine handlungsfähige Regierungskoalition einigen oder Koalitionsverhandlungen werden abgebrochen, bleibt nur noch eine Neuwahl. Dazu muss man allerdings auch wissen, dass die jetzt aktuelle Bundesregierung kommissarisch im Amt bleibt, bis eine neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen kann. Koalitionsverhandlungen können sich durchaus über einige Monate hinziehen und eine Neuwahl müsste ebenfalls vorbereitet werden. Sollte das Scheitern einer Regierungsbildung also beispielsweise erst zum Ende des Jahres feststehen, könnte man im Frühjahr 2022 mit der Neuwahl rechnen und bis dahin bliebe die jetzige Regierung weiterhin im Amt.