Geiz – Die Kehrseite

Seit Jahren schon breitet sich die „Geiz ist geil“ -Mentalität immer weiter aus. Sparen ist Trumpf. Alles soll möglichst wenig kosten, sei es in der Anschaffung, Leistung oder Herstellung. Grosse Teile der Verbraucher suchen geradezu nach Angeboten, die möglichst billig sind, für die man selbst möglichst wenig bezahlen muss. Auswirkungen hat das allerdings nicht nur auf die Qualität dieser billigen Angebote.

Eine unumstössliche Tatsache ist, dass billige Endpreise immer bedeuten, dass an irgendetwas gespart werden musste, denn Einsparungen bei Herstellung oder Logistik sind nötig, um auch den Endpreis gering zu halten. Alles, was etwas kostet, verteuert ein Produkt, das schliesslich nicht aus dem Nichts entsteht. Wer also Waren billig anbieten will, muss dafür zwangsläufig die Kosten senken, die den Preis in die Höhe treiben könnten.

Wo wird meist gespart?

Zuerst einmal sind es billige und daher oft minderwertige Rohstoffe, die günstig beschafft werden können. Alte Maschinen ohne moderne Sicherheitsstandards kosten einen Produzenten weit weniger, seine Arbeiter jedoch Gefahren und Risiken. Billig produzieren lässt sich besonders gut in möglichst armen Ländern, wo die Menschen schon, um überleben zu können, auch auf extrem schlecht bezahlte Jobs angewiesen sein können. Menschen, die für sechs Tage je Woche neun bis sechzehn Stunden Arbeit mit Monatslöhnen um die 25 Euro abgespeist werden, finden sich weltweit viele Millionen. Gesundheitsversorgung und soziale Absicherung zählen zu den Lohnnebenkosten, aber in vielen Ländern der „dritten Welt“ gibt es beides nicht. Wer krank wird und kein Geld für einen Arzt hat, bleibt gnadenlos auf der Strecke, denn wo 25 Euro einer mehrköpfigen Familie einen Monat lang ernähren müssen, bleibt kein Geld für die Gesundheit übrig. Dabei ist Lohn- und Preisdumping keine alleinige Domäne der Entwicklungsländer, sondern durchaus auch hierzulande anzutreffen, vor allem im Dienstleistungsbereich.

Was für den Endverbraucher besonders billig ist, zahlen fast immer entweder Andere mit ihrer persönlichen Einschränkung oder gar Armut, Gesundheit und gelegentlich auch ihrem Leben und dem ihrer Kinder oder es besteht aus billigen und oft minderwertigen Rohstoffen. Manchmal ist es sogar beides und kann dann besonders billig verkauft werden. Minderwertige Waren zahlen wir jedoch wenigstens selbst in Form von Folgekosten, weil die Produkte entweder ihre Aufgabe nur ungenügend erfüllen oder wenig haltbar bzw. ergiebig sind. Wurde nur am Lohn derjenigen gespart, die jene Waren teilweise unter unmenschlichen Bedingungen herstellen, zahlen diese Menschen dafür, dass der Endverbraucher möglichst wenig eigenes Geld dafür ausgeben muss.

Den Anbieter interessiert es hier nicht, wer ihm seinen Gewinn finanziert, der Kunde oder der Arbeiter in der Produktion.

Entstehen können solche Auswüchse allerdings nicht nur von der Gier der Unternehmen, sondern auch von der Spargeilheit vieler Kunden, die es erst ermöglichen. Niedrige Preise können nur auf Kosten anderer Aspekte geschaffen oder gehalten werden. Das sollte jedem, der bewusst extrem billig kaufen will, klar sein, dass er das nur kann, wenn andere vielleicht mit ihrer Gesundheit dafür mitbezahlen. Geiz ist eben nicht geil und schon gar nicht für jeden.

Der wirtschaftliche Aspekt

Die seit Jahrzehnten ungebrochen anhaltende Sparwut hat aber auch schwere wirtschaftliche Auswirkungen, denn dadurch entsteht quasi ein Zwang, möglichst billig anbieten zu müssen, um konkurrenzfähig zu werden und zu bleiben. Der Wert bleibt hier leider völlig auf der Strecke, vor allem der Wert der Menschen, die das finanzieren müssen. Wo gespart wird, fliesst auch weniger Geld nicht nur in die Geldbörsen der Menschen, sondern auch wieder in die Wirtschaft selbst, die schliesslich vom Umsatz leben muss. Durch die Sparwut dreht sich die Wirtschaft nach und nach den eigenen Geldhahn immer weiter zu. Eine intakte Wirtschaft lebt vom Kreislauf des Geldes, das am Ende wieder in den Konsum fliessen muss. Wer Konsum verhindert, indem Kaufkraft vernichtet wird, kann hinterher nur weniger heraus haben als vorher.

Das gesamte globale Lohn- und Preisdumping schadet weltweit Millionen von Menschen – wenn nicht sogar Milliarden, aber wie kommt man aus der Spirale wieder raus?

Die Lösung kann keinesfalls weiteres Sparen sein, das würde die Spirale sich nur noch schneller drehen lassen. Lösungen können einzig und allein darin liegen, den Wirtschaftskreislauf wieder anzukurbeln, der langfristig und dauerhaft nur dann funktioniert, wenn das Geld sowohl von „unten“ (den Verbrauchern) nach „oben“ (Anbieter) fliesst, als auch von oben wieder in Form von Kaufkraft nach unten zurückgegeben wird. Allerdings darf auch der Verbraucher selbst nicht weiter auf seinem liebgewonnenen Geiz beharren, denn auch umgekehrt wird nur dann ein Schuh daraus, wenn die Wirtschaft wieder stark genug wird, um mehr Kaufkraft finanzieren zu können, dies aber auch aktiv praktiziert, statt selbst in schädlichen Geiz zu verfallen, der am Ende doch nur schadet.

© 08.2010 by Norbert Warnke

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