Jugendmediendienste-Staatsvertrag sorgt für Unsicherheit

Noch nicht in Kraft, aber der ab Januar 2011 geltende neue Jugendmediendienste-Staatsvertrag (JMStV) sorgt bereits jetzt für grosse Verunsicherung unter Website- und Blogbetreibern. Mehreren Medienberichten nach machen die ersten Blogs bereits dicht und die aktuelle Berichterstattung und viele Diskussionen tragen nicht gerade zu höherer Sicherheit bei. Wichtigste Neuerung ist die künftige Pflicht der Betreiber, Inhalte auf möglicherweise jugendgefährdende Inhalte zu prüfen und ihre Angebote entweder im Zugang einzuschränken oder kenntlich zu machen.

Der neue Jugendmediendienste-Staatsvertrag sieht unter Anderem eine an die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und Computerspieleanbieter angelehnte Kennzeichnung nach Altersgruppen vor. Demnach sollen Webseiten, die möglicherweise jugendgefährdenden Content beinhalten, deutlich gekennzeichnet oder so betrieben werden, dass der Zugang für Jugendliche zumindest deutlich erschwert wird. Eine solche Variante wäre beispielsweise die Erreichbarkeit nur zu bestimmten Uhrzeiten. Daneben ist vorgesehen, dass gewerbliche Webseiten mit jugendgefährdenden oder entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten in ihrem Impressum einen unmittelbar erreichbaren Jugendschutzbeauftragten angeben müssen. Dieser Jugendschutzbeauftragte muss auch fachlich qualifiziert sein, um seine Aufgabe erfüllen zu können.

Was bedeutet das nun in der Praxis?

Zunächst einmal ist üblicherweise bei allen Neuerungen das Geschrei gross und viele befürchten für sich und ihre Angebote Nachteile. Zur Zeit ist jedoch, obwohl die Einführung dieses Staatsvertrags mit Gesetzeskraft fast unmittelbar bevorsteht, vieles noch völlig unklar und viele Politiker, Pädagogen und Medienschaffende halten die Umsetzung für undurchführbar. So sind beispielsweise wichtige Punkte nicht ausreichend geklärt und werden wahrscheinlich anfangs für Verwirrung, aber auch für Missbrauch sorgen. In jedem Fall dürfte nach Einführung des JMStV mit einer Abmahnwelle zu rechnen sein.

Wen betrifft es?

Gerichtet ist der Jugendmediendienste-Staatsvertrag vor allem an gewerbliche Angebote, aber auch Blogs und Social Media Einrichtungen wie Communities und Foren, deren Inhalte ganz oder teilweise jugendgefährdend oder entwicklungsbeeinträchtigend ist. Hier geht es vor allem um Darstellungen von Gewalt, politische Randmeinungen und sexuelle Darstellungen. Ausgenommen sind Inhalte, die sich vor allem auf Nachrichten und politisches Zeitgeschehen beschränken und an deren Inhalten „berechtigtes Interesse“ besteht. Hier dürfte jedoch vieles Auslegungssache sein, denn die Vorgaben sind leider zu vage formuliert, um als Richtwert geeignet zu sein.

Die meisten Angebote dürften zumindest für die Praxis, nur zu bestimmten Zeiten erreichbar zu sein, kaum geeignet sein und da für sehr viele Anbieter technische Vorrichtungen, bestimmte Altersgruppen auszusperren, nicht umsetzbar sein dürften, bleibt für die überwiegende Zahl der Inhalte nur noch die Klassifizierung nach Altersgruppen. Auch dies ist jedoch nicht ganz so einfach, wie es scheint, denn Testläufe unter Webseitenbetreibern haben ergeben, dass rund 80% der abgegebenen Einschätzungen falsch waren. Das rechtliche Risiko bleibt nun einmal beim Betreiber, der allerdings auch die kostenpflichtige und kostspielige Mitgliedschaft bei einer Freiwilligen Selbstkontrolle wählen kann. Hier ist jedoch mit Jahresbeiträgen von bis zu mehreren tausend Euro zu rechnen.

Was erst einmal bleibt und dringend anzuraten wäre, ist die ständige Beobachtung der aktuellen Diskussion zum Thema und gründliche Prüfung des eigenen Internetcontent auf möglicherweise jugendgefährdende Inhalte. Nähere allgemeine Infos zum JMStV und weiterführende Links stehen bei Wikipedia zur Verfügung: de.wikipedia.org/…

Nichts wird so heiss gegessen, wie es gekocht wird und viele Politiker und Medienschaffende laufen bereits Sturm gegen den neuen JMStV. Dennoch sollte die Entwicklung aufmerksam verfolgt werden. Diejenigen, die der Vertrag treffen soll, werden allerdings ins Ausland ausweichen und ihre Inhalte von dort aus weiterhin unbehelligt ins Netz stellen. Im Grunde wird also mit Kanonen auf Spatzen geschossen und der angedachte Zweck wahrscheinlich verfehlt werden. So wichtig und nötig vernünftige Regularien auch sind, nationale Alleingänge lösen hier sicherlich keine international auftretenden Probleme.

© 11.2010 Norbert Warnke für mlm-network.biz

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