Es gibt verschiedene Arten von Stalkern mit verschiedenen Zielen und diese bedienen sich unterschiedlicher Strategien, um ihren Zielen näherzukommen. Die beiden hauptsächlichen Ziele sind zum einen, der Zielperson nahe zu sein, weil sie geliebt wird und zum anderen, der Zielperson zu schaden, weil sie gehasst wird. In jedem Fall wird die Zielperson verfolgt und ständig in Aktionen verwickelt, die der Stalker steuert, die Zielperson allerdings nicht wünscht. Immer geschehen die Dinge ohne die Zustimmung, oft sogar gegen den Willen der Zielperson.
Ein Grund für Verfolgung kann die Beendigung einer Beziehung sein, die von dem verlassenen Partner nicht akzeptiert wird. Dieser verfolgt nun den früheren Partner mit dem Ziel, ihn zurückzugewinnen, was bis zur Besessenheit führen und von Liebe in Hass umschlagen kann. In vielen Fällen ist es der Verlust der Kontrolle über einen Menschen, der einen Stalker zu Aktionen treibt, die er allein auslöst und kontrolliert. Das gibt dem Stalker ein Gefühl von Macht über die Zielperson.
Sehr oft sind Stalker unter früheren Partnern eines Opfers zu finden, können aber auch Anhänger eines prominenten Stalkingopfers sein, die durch die Medien auf ihr späteres Opfer aufmerksam geworden sind. Im Zeitalter des Internet sind die Möglichkeiten, von Personen praktisch „besessen“ zu werden, noch weitläufiger und vielfältiger geworden und praktisch jede Person, die im Internet in irgendeiner Weise aktiv ist, kann durch irgendeinen Auslöser den Beutetrieb eines Stalkers ansprechen, der sich nun auf sein Opfer fixiert, sich oft an seiner Zielperson festbeisst und es nicht mehr loslässt, sich mitunter nicht einmal von Verboten und Strafandrohungen davon abbringen lässt, sein Ziel weiter zu verfolgen, sein Opfer gegen dessen Willen zur Kommunikation oder anderweitiger Interaktion zu zwingen, es in von ihm, dem Stalker, ausgelöste und kontrollierte Aktionen zu verwickeln, ob es will oder nicht.
Stalker sind auf bestimmte Zielpersonen fixiert und in der Lage, sehr komplex und phantasievoll ihrem Ziel nachzujagen. Wie ein Jäger stellen sie Fallen und verfolgen ihre Zielpersonen dort, wo sie diese zu treffen glauben. Oft kennen sie ihre Zielpersonen so genau, um vor Ort zu sein, bevor das Opfer dort eintrifft, weil sie die Vorlieben ihrer Zielpersonen studiert haben und die Orte gut kennen, an denen ihre Opfer verkehren. So beginnen Stalker meist mit anscheinend zufälligen Begegnungen, ihrer Zielperson nahezukommen. Handelt es sich um Stalker, die nicht aus dem persönlichen Umfeld eines Zieles stammen, bleiben diese hierbei oft noch unbemerkt, beobachten ihre Ziele aber sehr genau. Alles ist wichtig, um die spätere Beute so gut wie möglich kennenzulernen und sie optimal verfolgen und jagen zu können.
Kommt es zu einer Kontaktaufnahme, weiss der Stalker bereits sehr viel über sein Opfer, schenkt der Zielperson vielleicht zufällig genau die Lieblingsblumen, die Lieblingspralinen oder redet von dessen bevorzugten Themen. So lässt sich sehr schnell Vertrauen aufbauen und noch weit mehr erfahren. Vielleicht chattet man ja auch im Internet mit einer unbekannten Person, der man wegen gemeinsamen Interessen sehr schnell vertraut, ohne diese wirklich zu kennen. Vielleicht erhält man von einer unbekannten Person plötzlich und unerwartet Bestätigung in einer Forendiskussion oder jemand gibt sich als gemeinsamer Bekannter von XY aus, gibt vermeintlich persönliche Dinge von sich preis, die nicht kontrollierbar sind und erwartet im Gegenzug auch persönliche Infos. Stalker kommen auf vielfältigen Wegen an persönliche Informationen über ihre Zielperson, auch über deren Bekannte.
[aartikel]3827243378:left[/aartikel]Besonders gefährlich ist der Typ Stalker, der seinem Opfer Schaden zufügen oder es gar zerstören möchte. Diese Stalker bedienen sich oft anderer Menschen, von denen sie entweder Informationen erhalten oder denen sie vermeintlich vertraulich falsche Informationen über die Zielperson zuspielen. Ziel ist hier die Verbreitung und der Aufbau eines Lügengerüstes, das um so stabiler und glaubwürdiger wirkt, je mehr vermeintlich Unbeteiligte genau das bestätigen, was der Stalker genz bewusst und vorsätzlich zu verbreiten sucht. Meist handelt es sich um Lügen, aber auch um verdreht dargestellte Tatsachen, die immer das Ziel haben, die Zielperson in schlechtes Licht zu rücken. Besonders intrigante Stalker schaffen es, dies zu erreichen, ohne selbst namentlich in Erscheinung zu treten und allein dadurch, dass sie Dritte dazu bringen, das zu verbreiten, was verbreitet werden soll.
Solche Lügenkonstrukte sind aufgrund der hohen Komplexität fast immer sehr schwer zu durchschauen, ausser für die Zielperson selbst, wenn diese lange genug mit den Auswirkungen konfrontiert wurde und die Wege zu erkennen vermag, die der Stalker genutzt haben muss. Aussenstehende sehen oft nur einen Menschen, der sich gegen etwas zu wehren sucht, das nicht erkennbar ist. Der Stalker streut das Märchen vom Verfolgungswahn seiner eigenen Zielperson, stellt diese zunehmend als unglaubwürdig hin und isoliert so seine Zielperson immer mehr von deren Umfeld. Spätestens hier beginnt es sich zunehmend auch gesundheitlich negativ auf die Zielperson auszuwirken, psychische Schäden können folgen und die Zielperson gibt nach und nach jeden Wiederstand auf. Der Stalker hat sein Ziel erreicht, hat seine Macht über sein Opfer ausgespielt und es zerstört und gewinnt dadurch an Ansehen, denn er wird deutlich machen, dass er von Anfang an im Recht war.
Der Begriff „Stalker“ kommt aus der englischen Jägersprache und bedeutet so viel wie „nachstellen“. Stalker handeln auch etwa wie Jäger und fühlen sich auch so. Wie Jäger gehen sie in drei entscheidenden Phasen vor. In der ersten Phase kundschaften sie ihre Beute aus; in der zweiten Phase isolieren sie ihre Beute von der schützenden Herde (Gruppe, Umfeld) und in der dritten Phase bringen sie ihre Beute zur Strecke. Stalker scheuen auch nicht vor langfristigen „Jagden“ zurück, denn es bringt mehr „Ehre“, eine Beute erlegt zu haben, die sich zwar kräftig gewehrt hat, dies ihm aber nichts genutzt hat. Je stärker die Beute, desto grösser der Sieg und das Gefühl der eigenen Macht über die Beute, die schon mal zur fixen Idee werden kann.
Eine noch recht neue Form ist, dass sich mehrere Stalker gemeinsam auf eine oder mehrere Zielpersonen einschiessen und gemeinschaftlich handeln. Auch Trittbrettfahrer sehen mitunter wirtschaftliche Vorteile oder die Begleichung alter Rechnungen darin, auf eine bereits laufende Stalkingkampagne aufzuspringen und mitzuschiessen, um einen lästigen Konkurrenten auszubooten, den Träger einer nicht genehmen Meinung oder Kritiker mundtot zu machen. So finden sich unter Stalkern nicht selten auch Mitbewerber und Konkurrenten, aber auch vom Opfer irgendwann einmal kritisierte Personen, während unter den Zielpersonen ebenfalls oft Personen zu finden sind, die mit ihren Stalkern in wettbewerblichem Verhältnis stehen oder Journalisten, die auf Dinge gestossen sind, die man ihnen nicht glauben darf. Nicht selten finden sich also handfeste wirtschaftliche Interessen unter den Gründen für Stalkingkampagnen.
Stalking ist auch keineswegs neu, wurde bereits im antiken Griechenland praktiziert, aber auch hierzulande ist Rufmord absolut keine Erscheinung der Neuzeit. Intrigen und Lügen, um Personen um eigener Vorteile willen zu schaden, sind seit Jahrtausenden bekannt, finden nur im Zeitalter des Internet leider durch die Möglichkeit der Anonymität und Rechtsflucht auf ausländische Server ein neues und erschreckendes Betätigungsfeld. Geschickt agierende Internetstalker können sich so verhältnismässig sicher bewegen, so lange man ihre Identität nicht aufdeckt. Deckt man sie allerdings auf, bleibt von dem vermeintlich grossen Jäger nur noch ein kleiner Straftäter mit einem hohen Mass an krimineller Menschenverachtung übrig.
Stalking (Nachstellung § 238 Strafgesetzbuch) kann mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft werden. Führt die Nachstellung zum Tod der Zielperson, können auch zehn Jahre daraus werden. Wir haben also keinen Lausbubenstreich vor uns, sondern ein handfestes und schweres Verbrechen besonders menschenverachtender Natur.
© 10.2008 by Norbert Warnke
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